Hans Jürgen Baden
„Alle magisch-mythischen Symbole und Bilder, die in den Kammern der Religionsgeschichte aufgespeichert liegen, verraten das, was Ziegler eine ‚gemeinschaftliche Kenntnis von Gott, eine gemeinmenschliche Bekanntschaft mit ihm‛ nennt. Man versteht: es handelt sich in diesen religiösen Überlieferungen der Völker nicht um Kuriositäten und abergläubische Einfälle, sondern um Manifestationen des göttlichen Geistes – des Logos. Noch im primitivsten heidnischen Ritus glüht ein Funke dieses ewigen Logos und macht sich in ihm offenbar. Freilich kann man aus solchen ‚Offenbarungskernen‛ noch keine sichere Gotteserkenntnis gewinnen: hierzu bedarf es einer zweiten umfassenden Offenbarung, wie sie in der Person Jesu Christi geschehen ist. In Christus tritt Gott aus der Verborgenheit heraus, in ihm irrlichtert nicht ein Funke des Ewigen, sondern er ist die Verkörperung der Ewigkeit in irdischer Gestalt, in Fleisch und Blut.
Damit kommen wir zu der eigentlichen These Zieglers, die er immer aufs neue abwandelt, wie ein Komponist sein Lieblingsmotiv. Wenn Christus Offenbarungszentrum aller religiösen Überlieferungen ist, so stehen diese Überlieferungen nicht im Gegensatz zu ihm, sondern sie sind heimlich auf ihn bezogen. Wie die Magnetnadel auf den Pol, so weist jede heidnische Religiosität, wie bizarr und verworren sie auch sein mag, auf den Gottessohn als die heimliche Mitte der Welt. Durch Christus als den fleischgewordenen Logos wird diese Religiosität erlöst, das heißt, sie wird herausgelöst aus ihrem magischen Dunkel; ihr wird der Weg zur Wahrheit gewiesen, den ihr kein Zauber und keine rituelle Praxis erschließen. Und nun wird ein schier unermeßliches Material von Ziegler zusammengetragen, um diese These glaubhaft zu machen. Ziegler ist in den indischen Religionen ebenso heimisch wie im Totemismus und Animismus primitiver Völkerstämme, er zitiert die Kabbala – die jüdische Geheimüberlieferung – mit gleicher Kennerschaft wie die alten Kulte Syriens und Ägyptens. Eine gewaltige Pyramide des Glaubens und der Gottessehnsucht wird vor unseren Augen errichtet; ihr Fundament bilden die großen, unbehauenen Blöcke des Mythos und des Fetischismus, aber dann läutert und durchlichtet sich diese Pyramide von Stockwerk zu Stockwerk, bis man auf ihrem Gipfel den Namen des Gottessohnes Christus leuchten sieht.
Aus einer Sendung vom 6.1.1950 im Norddeutschen Rundfunk.